Jochen Stolla

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Cloud oder nicht Cloud?

Eine Entscheidungshilfe, Teil 1

14.05.2020

Die „Cloud“, das muss man Nicht-Eingeweihten sagen, damit meinen Sprecher/-innen aus dem Volkshochschulmilieu die vhs.cloud, die Lern- und Kommunikationsplattform der Volkshochschulen in Deutschland.

Nehmen wir an, ich wäre Kursleiter an eine Volkshochschule. Und ich hätte die Absicht, in meinen Kursen in Zukunft digitale Methoden einzusetzen. Ist die VHS-Cloud für mich das Mittel der Wahl? Soll ich mich registrieren und einarbeiten? Oder soll ich andere Werkzeuge verwenden, kleine und große, häufig kostenlos, wie das Netz sie mir zahlreich anbietet? Allgemein formuliert: Ist es sinnvoll, meinen Kurs auf einer Lernplattform zu platzieren – sei es nun die VHS-Cloud, Moodle oder eine andere –, oder arbeite ich besser mit Einzeltools?

Hier sind einige Überlegungen, die in der Frage als Entscheidungshilfe dienen können.

Familie

Mit einem Kurs in der VHS-Cloud kann ich mich als Teil der deutschlandweiten VHS-Familie fühlen. Ich stärke die Marke „VHS“ und trage dazu bei, die Kundinnen und Kunden an die Volkshochschulen zu binden und sich mit der Marke zu identifizieren.

Lagerfeuer

Eine Lernplattform ist ein Sammelpunkt, hier kommt man zusammen, auch wenn man vielleicht nicht gemeinsam „Country Roads“ zur Gitarre singt. (Oder doch? Bisweilen unterrichten Musiklehrer/-innen in der VHS-Cloud.)

Indes muss dieses Lagerfeuer nicht zwingend eine hochkomplexe Lernplattform sein. Auch eine schlichte Website mit bescheiden glimmendem Reisig kann die Aufgabe erfüllen (worauf Nele Hirsch hingewiesen hat).

Alles unter einem Dach

In der VHS-Cloud habe ich alles an einem Ort. Ich bin mit praktisch allem ausgestattet, was ich für meinen Kurs jemals brauchen werde. Nicht nur mit einer Dateiablage, mit Web-based Trainings, einem Konferenztool oder einem Wiki, sondern auch mit E-Mail und einem Messenger. Einmal eingeloggt, brauche ich nicht mehr vor die Tür zu gehen.

Datenschutz

Vorsicht: Es folgen Ausführungen eines juristischen Laien.

Mit der VHS-Cloud sind Volkshochschulen und Dozent/-innen auf der relativ sicheren Seite. Nutzer/-innen willigen in eine Datenschutzerkärung ein, das Vertragsverhältnis zwischen der VHS-Cloud und den Volkshochschulen ist geklärt. Bei externen Diensten ist das komplizierter. Zwar müssen Nutzer/-innen gleichermaßen sich einverstanden erklären mit der Speicherung und Nutzung ihrer Daten, aber wenn Volkshochschulen diese Dienste offiziell als Teil ihres Bildungsangebots betrachten würden, stünden sie in der Mitverantwortung für den Datenschutz bei Google, Whatsapp, Padlet etc. Diese Verantwortung können sie naturgemäß nicht übernehmen. Und mit allen einzelnen Diensten die Verantwortlichkeiten abzustimmen und Vereinbarungen zur Auftragsdatenverarbeitung abzuschließen, ist ebenso wenig realistisch.

Oben habe ich geschrieben „auf der relativ sicheren Seite“. Einzelne Volkshochschulen haben Vorbehalte gegenüber der VHS-Cloud und untersagen ihre Nutzung. Wer der Datenschutzvereinbarung der VHS-Cloud zustimmt, natürlich nach eingehender Lektüre, offenbart unversehens der ganzen Kursgruppe Kontaktdaten.

Kaufhaus des Westens

„Luxus erleben“ – damit wirbt das Kaufhaus des Westens in der Berliner Tauentzienstraße. In der VHS-Cloud kann ich mich wie in anderen Lernplattformen an E-Learning-Tools im Überfluss bedienen. (Manche sind auch nicht vorrätig: Schnell einmal eine Sprachnachricht zu schicken, das ist über einen Smartphone-Messenger einfacher.) Aber vieles ist in Griffweite: Foren, Wikis, Lernprogramme, kollaborative Office-Software, Videokonferenzen, terminierte Aufgaben, Dateibereitstellung, Umfragen, Kalender, Blogs und andere Dinge, die die Augen zum Leuchten bringen.

Do one thing and do it well

Das erste Gebot der Unix-Philosophie ist mir bisweilen sympathischer als der Anspruch, alles können zu wollen. Wenn ich einen gemeinsamen Ort für Dateien brauche, denke ich zuerst an Google Drive oder Box. Wenn ich ein Quiz erstellen will, an Google-Formulare. Wenn ich digital Karteikarten anpinnen will, an Padlet. Einen Link kopieren und verschicken, und die Lernenden können damit arbeiten. Die kleinen, simplen Tools, die eine Sache gut können, lassen sich eben einmal nebenbei im Kursalltag einsetzen. Lernplattformen nicht.

Auf verwachsenem Pfade

Nicht jede Funktion in der VHS-Cloud erklärt sich der Nutzerin von selbst. Manche kritisieren mangelnde Ergonomie und Intuitivität der Bedienung. Die erste Zeit kann durchaus einem Point-and-Click-Adventure ähneln. Nach der Einarbeitung mag das anders werden. Vielleicht nicht so sehr für Lehrende, aber für Lernende. Für sie sei die VHS-Cloud nach gelungenem Einstieg nutzerfreundlicher als die meisten anderen Lernplattformen – das meint jedenfalls Torsten Timm, VHS-Cloud-Multiplikator aus Wildeshausen.

Hand in Hand

Lernplattformen sind zu bewältigen, keine Frage. Von Menschen, die sich schon durch hundert andere Apps geklickt und getippt haben und für die auch die alltägliche Kommunikation, Information und Unterhaltung digital ist, sowieso. Andere aber schaffen den Anstieg nicht alleine. Zumindest brauchen Sie geduldige Begleitung. Und das gilt nicht nur für Lernende, sondern auch für Lehrende. Kursleitende müssen einkalkulieren, dass sie umso mehr technische Hilfestellung leisten müssen, je komplexer das Lernsystem ist.

Was bedeutet das nun konkret für mich und meine Kurse? Keine Antworten, aber ein paar Kriterien habe ich hier notiert.